Über

Hans Peter Gansner
Der Schweizer Romanschriftsteller, Dramatiker, Dichter, Publizist und Übersetzer wurde am 20. März 1953 in Chur geboren. Nach der Matura an der dortigen Kantonsschule studierte er Germanistik, Romanistik, Kunstwissenschaft und Philosophie an der Universität Basel, sowie Theater- und Filmwissenschaft an der Universität Aix-en-Provence. Er arbeitete bis 1984 als Theaterkritiker und Gymnasiallehrer in Basel und Liestal.
Ab 1985 war er als freier Schriftsteller, Publizist und Übersetzer tätig. 1986 arbeitete er als Regieassistent in der Abteilung Hörspiel von Radio DRS in Basel. Es folgten eine Hospitanz im Schauspiel Bonn, ein Dramatikseminar der Bertelsmann Stiftung in Hamburg, Arbeitsaufenthalte im Stuttgarter Schriftstellerhaus, im Istituto Svizzero di Roma sowie in der Villa Kivi in Helsinki. Weitere Studienreisen und Arbeitsaufenthalte führten Hans Peter Gansner nach Algerien, Marokko, Kap Verde, Schweden und Finnland.
Nach einem sechsmonatigen Spanienaufenthalt in der Nähe von Valencia übersiedelte er 1985 mit seiner Ehefrau nach Genf, wo die beiden vor den Toren der Stadt, im französischen Hochsavoyen, eine Bleibe fanden. Dort, mit Blick auf den Alpenbogen, der von Genf bis Graubünden reicht, schuf Gansner seine Romane, Theaterstücke und kritischen Festspiele. Zurückgezogen in der Natur, der Quelle seiner Inspiration, doch nahe am pulsierenden Leben der internationalen Grossstadt,  in Sichtweite der Landesgrenze, die zum Blickwechsel inspiriert, geprägt von der französischen und der Kultur seiner Heimat, mit einem thematischen Horizont, der europa- und weltweit gespannt war. So entstand sein breit ausholendes, herausragendes Lebenswerk.

Das kritische Festspiel

Mit den historischen Theaterstücken über Epochen der Schweizer Geschichte, in denen die alten, verkrusteten Strukturen aufbrachen, entwirft Hans Peter Gansner seine Utopie für eine neue, solidarische Schweiz. Dabei befassen sich seine Werke – Festspiele und Theaterstücke – mit Perioden, die von den Bündner Wirren über die Helvetische Republik bis zur Regeneration, vom modernen Bundesstaat bis zur grössten humanitären Aktion der Schweiz, der Aufnahme der Soldaten der besiegten Bourbaki-Armee, und weiter bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs gehen. Die Jahre zwischen der faschistischen Machtergreifung, dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Beginn des Kalten Kriegs werden literarisch in drei Hörspielen, einem Volkstheaterstück und einem Drama bearbeitet.

Romane und Krimis

Gleichzeitig arbeitet Hans Peter Gansner an einem Roman über die 1970er Jahre, es entsteht ein funkelndes Soziogramm einer Generation, die zum Verändern der Welt angetreten ist, aber Mühe hat, ihre Ideale im eigenen Leben zu verwirklichen (Die Stunde zwischen Hund und Wolf). In seinen Krimis mit der Kommissarin Pascale Fontaine geht es um soziale Ungerechtigkeiten und Machtmissbrauch, werden Kriegsverbrecher, Menschenhändler und Menschenschänder ihrer gerechten Strafe zugeführt.

Französische Themen

Hans Peter Gansner beginnt, auch auf französisch zu schreiben und zu publizieren. Schreibt Exil d’Azur, ein grosses Theaterstück über die deutschen Flüchtlinge vor dem Faschismus an der Côte d’Azur. Lässt George Sands und Frédéric Chopins Tam-Tam à Tamaris ertönen. Malt seine dramatischen Tableaux maritimes (Meerbilder) aus: Der in Marseille auf dem Sterbebett liegende Dichter Arthur Rimbaud sieht schreckliche Visionen von untergehenden Flüchtlingsbooten. Bringt das aufwühlende Schicksal des kleinen Müllers zu Papier, der von einer bigotten Dorfgemeinschaft gemobbt und vor Gericht gestellt wird (Le meunier mortifié). Entdeckt und bearbeitet die Geschichte eines Eliteschützen der Schweizer Armee, der im Zweiten Weltkrieg desertiert, zur französischen Résistance stösst und bei der Befreiung der Stadt Thonon am Genfersee fällt (Das Vipernnest).

Dem Kanton Graubünden verbunden

Dem Kanton Graubünden, dessen Menschen und Natur er liebte, blieb er eng verbunden. Zahlreiche Gedichte zeugen davon, auch die Welschdörfli-Suita, dieses poetisch-dramatische Epos über das Quartier, in dem Gansner als junger Mann lebte und dessen Geschichte er schrieb: Die Geschichte der Aussenseiter, Verstossenen, Verarmten und Verachteten und ihrem täglichen Kampf um ein Leben in Würde. Gansner setzt diesen Menschen ein eindrückliches Denkmal. Und dies tut er nicht nur in der Welschdörfli-Suita, sondern auch in den über einen Zeitraum von zwanzig Jahren von Radio DRS ausgestrahlten Krimis aus dem Hochtannatal, seinen Alpakrimis aus dem 151. der 150 Bündner Täler. Hier stehen ergreifende Einzelschicksale im Vordergrund, und wie immer geht es ihm nicht nur um Recht, sondern um Gerechtigkeit.

Die Bündner Theatertrilogie

Es gibt in der Schweizer Literaturgeschichte wohl nichts mit Gansners „Bündner Theatertrilogie“ Vergleichbares. Die drei seinem Heimatkanton gewidmeten Theaterstücke beginnen chronologisch mit der Zeit der Bündner Wirren und dem Freilichtspiel Rohan und Jenatsch oder Freundschaft und Verrat. In diesem ersten Werk stellt Gansner das bisherige Geschichtsbild der beiden Kontrahenten radikal in Frage. Für ihn ist der  französische Herzog von Rohan der Mann, der Graubünden den Frieden bringen wollte, und Jürg Jenatsch der fanatische Haudrauf, der seinem kruden Machtwillen alles unterordnete.
Als zweites Stück folgt, mit dem Werk Der Dichter-General, die Epoche der Helvetik. Im Zentrum des dramatischen Geschehens steht hier der junge Dichter Johann Gaudenz von Salis-Seewis. Er kommt, angesteckt von den Ideen der französischen Revolution, nach Maienfeld zurück. Er möchte dort seine Liebste ehelichen, doch gerät er in die Wirren der Politik, schlägt sich auf die Seite der Fortschrittlichen, wird vom empfindsamen Dichter zum General der helvetischen Armee und stirbt hochgeehrt als einer der Gründerväter des modernen Kantons. Was die Übernahme von Verantwortung aus dem jungen Revoluzzer macht, wie er in den Stricken der Macht langsam erstickt, und wie viel uns diese dramatische Biografie gerade heute zu sagen hätte, wo „einer für alle und alle für einen“ so notwendig wäre, lässt sich in diesem Stück nachlesen.
Die „Bündner Theatertrilogie“ endet mit dem Stück Am Saum der Zeit oder Bebels Tod am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Hier steht nicht eine Bündner Persönlichkeit im Vordergrund, sondern der grosse deutsche Pazifist und Sozialist August Bebel. Das Stück spielt in Bad Passugg, wo August Bebel damals zur Kur weilte. Der berühmte Gast wird, so die theatralische Fiktion, von einer lokalen Theatergruppe angefragt, ob er ihnen beim Schreiben und Inszenieren helfen könnte. Bebel sagt zu, das „Stück im Stück“ wird zu einem amüsanten Verwirrspiel, am Horizont jedoch ziehen die dunklen Wolken des Kriegs herauf.  Als historische Grundlage dient dem Autor hier die teilweise in Passugg geschriebene Autobiografie von August Bebel, auch greift er auf die bemerkenswerten Aufzeichnungen von Johann Peter Gansner (1892 – 1971), Schneidermeister in Maienfeld und Grossvater des Autors, zurück.

Der Herz-Zyklus

2014 kehrte Hans Peter Gansner in die deutsche Schweiz zurück und liess sich in Schaffhausen nieder. Unermüdlich arbeitet er an seinen Werken und ihrer Veröffentlichung. Waren seine ersten Gedichtbände politische, „explizite“ Lyrik, vervollkommnet er im fünfbändigen Gedichtzyklus zum Thema Herz seine Gabe, letzte Dinge anzusprechen und mit wenigen Worten zum Leuchten zu bringen (herz, superherz, megaherz, das herz ist ein versinkender kontinent, das gepanzerte herz).

Am 1. Mai 2021 starb er in Schaffhausen. Diese Webseite hat das Ziel, die Erinnerung an einen ausserordentlichen Schriftsteller und Menschen wach zu halten. Möge sie auch dazu beitragen, dass seine Werke weiterhin gelesen, und seine Botschaft weiterhin gehört werden.